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„Adi“ Tiller wird 77 – Exklusiv-Interview mit Döblings Bezirksvorsteher

„Adi“ Tiller wird 77 – Exklusiv-Interview mit Döblings Bezirksvorsteher published on

Adolf „Adi“ Tiller (ÖVP) ist der längstdienende Bezirksvorsteher (BZV) Wiens und wird demnächst 77 Jahre alt. Der ehemalige deutsche Kanzler Konrad Adenauer (CDU) ist einer seiner politischen Vorbilder. Tillers Wunsch ist es, im selben Lebensjahr wie Adenauer, als BZV mit 87 Jahren die Pension zu genießen.

Vor einigen Monaten wurde bekannt, dass Tiller an Krebs erkrankt ist und die Chemotherapie setzt ihm sichtlich zu. Trotz allem arbeitet Tiller weiter für Döbling und ist angriffslustig wie eh und je… Der Bezirksvorsteher gab Pepo Meia ein Exklusivinterview.

Pepo Meia: Herr Bezirksvorsteher, vorerst eine Frage zur bevorstehenden Wahlwiederholung: Rote Nelke oder blaue Kornblume?
„Adi“ Tiller (spontan): Schwarze Rose!
Anm.: FP-Eklat um blaue Kornblume

Meia: Döbling hat bzgl. Barrierefreiheit den Ruf, einer der rückständigsten Bezirke Wiens zu sein. Was können Sie, bzw. die Bezirksvorstehung (BV) tun, damit sich die Situation für Menschen mit Behinderung erheblich bessert? Was liegt ausschließlich in der Kompetenz des Bezirks? Wie weit kann man beim momentanen Bezirksbudget merkliche Verbesserungen für diese immer stärker wachsende Bevölkerungsgruppe bewirken?
Tiller: Der Ruf ist falsch, da ich, wo möglich, alle Gehsteigabsenkungen, die Haltestellenkaps, aber auch Behindertenparkplätze herstellen ließ.
Anm.: U.a. öffentliche Behinderten-WC-Anlagen sind Bezirksangelegenheit, lediglich 4 öffentliche Behinderten-WC´s gibt es in Döbling (Kahlenberg, Cobenzl, Hackenberg und Mistplatz Grinzinger Str. MA 48). Auch alle öffentlichen Behindertenparkplätze von Döbling (leider viel zu wenige) sind auf www.gv/stadtplan ersichtlich.

Meia: 2. Aufzug Stephansplatz: Im Sommer demonstrierte die autonome Behindertenbewegung für einen 2. Aufzug am Stephansplatz – wie es scheint, wird der Aufzug nun doch nicht gebaut werden. Wie stehen Sie persönlich zur dieser Forderung?

Tiller: Ich schäme mich für die Wiener Linien. Wenn ich dürfte, würde ich diesen Aufzug aus dem Bezirksbudget bezahlen.
Anm.: Die Kosten für den 2. Aufzug werden mit ca. 2 Mio. Euro veranschlagt.

Meia: Sie treten für eine Verlängerung der U4 (Endstelle Heiligenstadt) bis Klosterneuburg ein. Ist dies nicht unrealistisch?
Tiller: Selbstverständlich nicht, denn in Stuttgart und in Athen (der Heimatstadt von Frau Mag. Maria Vassilakou) gibt es solche Lösungen, wo der Strom für die U-Bahn vom Boden und für die Eisenbahn mit einem Bügel bezogen wird.
Anm.: Es müssten alle U-Bahn-Garnituren für die Starkstrom-Oberleitung von den Wiener Linien umgerüstet werden. Die Bahnhöfe in Klosterneuburg (S40) sind immer noch nicht mit Aufzügen nachgerüstet worden. Auch eine U-Bahnstation in Klosterneuburg wird sicherlich nicht vom Döblinger Bezirksbudget bezahlt werden.

Meia: U4 Station Gunoldstraße: Wie die Bezirkszeitung (BZ) berichtet, wird das Gelände um die Gunoldstraße – Pressehaus (neben der U4) großzügig umgebaut. Ist es realistisch, dass ca. 200 Meter vor der Endstelle Heiligenstadt eine U-Bahn Station errichtet werden soll?
Tiller: Bei der geplanten dichten Verbauung mit Modul Uni (600 Studenten) ist dies unbedingt notwendig. Der Abstand zwischen Kettenbrückengasse und Pilgramgasse ist auch nicht weiter.
Anm.: Diese beiden denkmalgeschützten U-Bahnstationen existieren schon seit dem Jahre 1899. Die geplante Station Gunoldstraße muss jedoch erst neu errichtet werden. (Wer würde die Kosten übernehmen – der Bezirk?)

Meia: Wie ebenfalls der BZ zu entnehmen ist, ist die BV für eine Reaktivierung der ehemaligen Straßenbahnlinie 8 (parallel zur U6), die 1989 eingestellt wurde. Abgesehen von den Kosten muss auch jede Station barrierefrei umgebaut werden. Warum sind sie für eine Reaktivierung der Linie 8?
Tiller: Ich habe nur darauf hingewiesen, dass in Döbling alle Gleise und auch die Stationen barrierefrei vorhanden sind. In anderen Bezirken wurden die Gleise herausgerissen.
Anm.: Die BV Fünfhaus will eine Bürgerbefragung zur Reaktivierung der Straßenbahnlinie 8 durchführen.

Meia: Zum Thema Parkraumbewirtschaftung: Sie waren immer strikt gegen die Einführung des Parkpickerls in Döbling. Nun wurde bekannt, dass eine diesbezügliche Bürgerbefragung noch 2016 stattfinden soll. Warum haben Sie Ihre Meinung geändert?
Tiller: Ich habe meine Meinung nicht geändert. Jedoch wurden meine Vorschläge „grüne Zonen“ nicht angenommen, sodass ich in demokratischer Form die Bewohnerinnen und Bewohner des 19. Bezirks entscheiden lasse.

Meia: Etliche Döblinger Kleinbetriebe kämpfen um ihre Existenz und viele haben schon aufgegeben. Wird sich mit Einführung der Parkraumbewirtschaftung die Situation Ihrer Meinung nach verbessern oder verschlechtern?
Tiller: Für die KMU ist dies eine Tragödie. Scheinbar will man die Wirtschaft nicht unterstützen und die Arbeitsplätze vernichten. Wien hat die größte Arbeitslosigkeit Österreichs.
Anm.: Wien hat jedoch auch die meisten neugeschaffenen Arbeitsplätze und viele Pendler arbeiten in Wien.

Meia: Umweltaktivisten laufen seit etlichen Jahren gegen die radikale Fällung von Bäumen in Wien Döbling Sturm. Auch mir ist aufgefallen, dass bei Umwidmung von Flächen und der Errichtung von Immobilien, aber auch bei bestehenden Luxusvillen viele Bäume verschwunden sind. Wie stehen Sie dazu und was könnte seitens der Bezirkspolitik dagegen unternommen werden?
Tiller: Das ist unrichtig, denn zumeist werden für einen gefällten Baum mehrere Ersatzpflanzungen vorgenommen. Der Bezirk hat den Biosphärenpark Wienerwald mit Urkunde der UNESCO durchgesetzt.

Meia: Seit Jahrzehnten ist die Absiedlung des Amtshauses von der Gatterburggasse bekannt. Nun scheint es offiziell zu sein, dass das neue Amtshaus in der Grinzinger Allee 6 Realität wird. Wäre nicht eine Übersiedlung in das Amtshaus in der Muthgasse naheliegender – etliche Bauvorhaben wurden und werden umgesetzt. Zudem ist die öffentliche Verkehrsanbindung optimal – Endstelle U4 / Bahnhof Heiligenstadt, Autobuslinie 5B.
Tiller: Die Muthgasse liegt am Rande des Bezirkes und die Verkehrsanbindungen zur Grinzinger Allee sind mit S45, Straßenbahnlinie 38, Buslinien 39A und 10A optimal erreichbar.
Anm.: Leider ist die S45 Station Oberdöbling für Rollis, Kinder- und Rollatorennutzer nicht oder nur schwer benutzbar, einzig mit der Buslinie 39A kann das neue Amtshaus optimal erreicht werden. Zugelassen sind für einen herkömmlichen Wienerlinienbus: Ein Kinderwagen und ein Rolli.

Meia: An die acht Jahre ist es her, da haben Sie mir gesagt, dass Sie solange Bezirksvorsteher sein möchten, wie der deutsche Altkanzler Konrad Adenauer, der ja als Kanzler mit 87 Jahren in Politpension ging. Eine Abwahl scheinen Sie ja nicht befürchten zu müssen, da Sie ja bisher bei jeder Bezirksvertretungswahl – seit 1978 – als Sieger hervorgegangen sind. Fühlen Sie sich durch ihre Erkrankung motiviert genug, um noch zehn Jahre für Döbling als BZV tätig zu sein?
Tiller: Motivation ist genügend vorhanden. Es sind noch viele Aufgaben zu erledigen, die mit Erfahrung gut zu bewältigen sind. Meine Gesundheit haben die Professoren bestens in Griff und meinten, ich könnte wieder ein Fußballspiel bestreiten.
Anm.: Adi Tiller, ehemaliger Vienna-Präsident und „beinharte“ rechte Außenverteidiger, kann dann die Fußballschuhe von „Goleador“ Hans Krankl, der auch auf der Hohen Warte bei der Vienna aufgespielt hat, wieder benutzen, die er in seiner Wohnung in Sievering in Ehren hält.

Meia: Herr Bezirksvorsteher, besten Dank für das ausführliche Interview.

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