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Chaos bei Schanigärten: Wer ist verantwortlich?

Chaos bei Schanigärten: Wer ist verantwortlich? published on

Text: Pepo Meia, Niels Cimpa, David Herrmann
Behörden überfordert – Wer achtet auf Barrierefreiheit?
Seit rund einem Jahr sind wir mit den Wiener Magistratsabteilungen telefonisch und schriftlich wegen nicht-barrierefreien Schanigärten in Kontakt. Neben vorbildlichen Beispielen, sieht man immer mehr Schanigärten mit Podesten, die keine Zugänglichkeit für mobilitätseingeschränkte Personen vorsehen (Podeste mit bis zu 18 cm hohen Stufen).

Scheinbar haben wir mit dieser Thematik in ein Wespennest gestochen, denn wir hätten nicht gedacht, dass seitens der Behörden so „gemauert“ wird. Dabei sind die sogenannten Schanigärten nur eine „Nebenfront“ beim Kampf für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben.

Den letzten BMIN-Artikel zum Thema: „Neuer Schanigarten wieder nicht barrierefrei“ vom 8. Juni 2020 haben wir ebenfalls an die zuständige Magistratsabteilung gesendet und erhielten folgende Antwort am 24. Juni 2020 (GZ. 505266-20 auszugsweise): 

„Zu Ihren Schreiben vom 10. und 12. Juni 2020 wird seitens der Magistratischen Bezirksamtes wie folgt Stellung genommen:
Betreffend des Schanigarten „Venuss“ wird mitgeteilt, dass sich dieser auf Privatgrund befindet und daher keine Bewilligung erforderlich ist.

Für den Schanigarten „One Night in Bejing“ kann mangels rechtlicher Grundlage nach dem Gebrauchsabgabegesetz (GAG), wie bereits von Ihnen ausgeführt, keine Barrierefreiheit vorgeschrieben werden. […]“

Schon im BMIN-Artikel vom 29. Juli 2019 Schanigartenrichtlinie wird ignoriert“ zeigten wir auf, dass nicht-barrierefreie Schanigärten als „auflagenkonform“ bewilligt wurden (GZ.: MA 59-L-657048-2019-MA).

Als das Problem 2020 noch immer akut war, haben wir viele Beispiele von nicht-barrierefreien, aber scheinbar auflagenkonformen Schanigärten an die zuständigen Stellen – auch an die Wirtschaftskammer – und politisch Verantwortlichen gesendet.

DI Walter Ruck (WKW) hat zweimal geantwortet (1. Juli und 10. Juli). Seitens der WKW kommen keine Verbesserungsvorschläge. Stattdessen will man den jetzigen Status beibehalten. Er schreibt wörtlich am 1. Juli: „Das GAG ist ständig auf unserem Radar, hier gibt es einige Änderungswünsche, nicht nur zur besseren Berücksichtigung der Nöte der mobilitätseingeschränkten Personen.“
Und am 10. Juli: „Das GAG sollte lediglich die Gebühren für die Nutzung des öffentlichen Raumes regeln, alle weiteren Regeln sind bereits in anderen Gesetzen enthalten. Eine Wiederholung würde nur die Verständlichkeit von Gesetzen erschweren, was nicht in unser aller Interesse liegen kann.“ Anm.: Aber selbst das Informationsvideo der WKO weist kurz darauf hin, dass ein Schanigarten max. 3 cm Stufenhöhe haben darf (www.wko.at/wien/schanigarten).

Am 31. Juli 2020 erhielten wir auch ein Antwortschreiben des Sozialministeriums (Ministerbüro Anschober – GZ: 2020-0.420.850 – auszugsweise):
„…Ihr Anliegen ist nachvollziehbar und aus behindertenrechtlicher Sicht sollten die von Ihnen geschilderten Unannehmlichkeiten und Barrieren nicht mehr bestehen. Wie Sie selbst wissen, fällt Ihr Anliegen in erster Linie in die Zuständigkeit des Landes Wien.[…]“

„Zurzeit arbeitet unsere Abteilung im regelmäßigen Austausch mit den anderen Bundesministerien sowie mit den Ländern als auch den Stakeholdern aus der Disability Community an der Erstellung des neuen Nationalen Aktionsplans Behinderung. Auch im neuen NAP Behinderung wird das Thema „Verbesserungen im Behindertengleichstellungsrecht“ thematisiert werden. Entsprechende Vorschläge für den neuen NAP werden regelmäßig, in und mit der Disability Community, diskutiert. […]“

„Seien Sie versichert, wir werden Ihre Anregungen und Ihre Beschwerde bezüglich der leider noch immer alltäglichen Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen in künftige Überlegungen und Dialoge miteinbeziehen. […]“

Die Foto-Galerie zeigt aktuelle Beispiele aus dem 3ten, 9ten, 19ten und 20sten Wiener Gemeindebezirk:

Wer achtet auf Barrierefreiheit?
Wie wir erfahren haben, gibt es in ganz Wien keine Stelle, die Barrierefreiheit regelt und überprüft. Es gibt nur beratende Stellen.

Anm.: Dieser Zustand ist untragbar, denn dies bedeutet, dass jeder Schanigarten mit Stufen privatrechtlich von den Betroffenen geschlichtet und im Endeffekt eingeklagt werden müsste. Menschen mit Behinderung sind nicht verantwortlich für Einhaltung der Rechtsnormen.

Egal welche rechtlichen Rahmenbedingungen vorliegen, es kann jedenfalls nicht rechtskonform sein, wenn die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung nicht ausgeschlossen werden kann. Ausnahmen dürfen nicht zur Regel und die Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen nicht salonfähig gemacht werden.

Es kann nicht so schwer sein, einen Schanigarten barrierefrei zu gestalten, da weder der Denkmalschutz noch der finanzielle Aufwand ein unüberwindliches Hindernis sein dürften. Offensichtlich gibt es da keine kompetente Beratung.

Uns ist bewusst, dass sich die Gastronomie derzeit in einer Krise befindet, jedoch auch Menschen mit Behinderungen können einen Beitrag zur Belebung der Wirtschaft leisten. Außerdem sollen auch behinderte Menschen die Möglichkeit haben, speziell wegen COVID 19, sich im Freien aufzuhalten. Dazu gehören auch barrierefreie Schanigärten.

Auf eine Stellungnahme des zuständigen Stadtratbüros Hebein – MA 18 (Stadtentwicklung und Stadtplanung), MA 19 (Architektur und Stadtgestaltung) und der MA 28 (Straßenverwaltung und Straßenbau) – warten wir schon seit über zwei Monaten, obwohl wir sogar mehrfach beim Stadtratbüro urgiert haben. Mündlich wurde uns eine Stellungnahme mehrmals zugesagt.

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