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Barrierefreie Schanigärten: Stellungnahme vom Stadtratbüro Hebein

Barrierefreie Schanigärten: Stellungnahme vom Stadtratbüro Hebein published on

Text: Pepo Meia, Niels Cimpa
Am 26. August 2020 veröffentlichten wir den Artikel „Chaos bei Schanigärten: Wer ist verantwortlich?“. Am 2. September 2020 erhielten wir endlich die zugesagte Stellungnahme (GZ.: 81861-2020)

Vorweg – BMIN fehlt ein rascher politischer Lösungsansatz, denn der Ball wurde an die Geschäftsgruppe Finanzen und Wirtschaft weitergegeben: „Für die von Ihnen angesprochene Reform des GAG dürfen wir Sie an die zuständige Geschäftsgruppe Finanzen und Wirtschaft verweisen.
Wir sind der Meinung, dass eine diesbezügliche (interne) Weisung vom zuständigen Stadtratbüro ausreichen sollte, damit kurzfristig neubewilligte Schanigärten auch barrierefrei zugänglich sind. Dies wäre ein rascher politischer Lösungsansatz.

BMIN übernimmt den Ball und ersucht um eine schriftliche Stellungnahme von der zuständigen Geschäftsgruppe Finanzen und Wirtschaft, damit es zu einer baldigen diesbezüglichen Reform des Gebrauchsabgabegesetz (GAG) kommt. Denn wenn Ende 2021 dauerbewilligte Schanigärten auslaufen und somit eine Neueinreichung erforderlich ist, wäre dies der richtige Lösungsansatz, damit nicht barrierefreie Schanigärten endlich der Vergangenheit angehören. In § 2 Abs. 2 beim Punkt „öffentliche Rücksichten“ müsste im GAG der Begriff „Barrierefreie Zugänglichkeit“ hinzugefügt werden.

 

Die ungekürzte Stellungnahme von der Geschäftsgruppe Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung:
„Vielen Dank für Ihre Schreiben an Frau Vizebürgermeisterin Birgit Hebein betreffend Barrierefreiheit in Schanigärten. Da es in den letzten Wochen zu vermehrten Anfragen gekommen ist, ersuchen wir um Verständnis, dass die Beantwortung erst zum jetzigen Zeitpunkt erfolgt.

Für die Bewilligung von Schanigärten sind in Wien die Magistratischen Bezirksämter als Bescheid erlassende Behörden zuständig. Die Bewilligung von Schanigärten erfolgt nach dem Gebrauchsabgabegesetz (GAG) und der Straßenverkehrsordnung als kombiniertes Verfahren.

Die Fachdienststellen der Geschäftsgruppe Stadtentwicklung und Verkehr werden wie folgt als Sachverständige hinzugezogen:

MA 19: beurteilt das örtliche Stadtbild

MA 28: beurteilt als Straßenerhalter z.B. die Entwässerung, die Einbauten der Straße

MA 46: beurteilt die Aufrechterhaltung der Leichtigkeit, Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs

Selbstverständlich sind insbesondere die MA 19 und die MA 46 dazu angehalten, auf die Barrierefreiheit von Schanigärten zumindest an einer der Fronten bei ihrer Stellungnahme zu achten. Podeste dürfen in der Regel nur zum Niveauausgleich eines Gefälles errichtet werden. Darauf wird auch im Leitfaden für Schanigärten (MA 19) hingewiesen.

Da dauerbewilligte Schanigärten aufgrund einer Novelle des GAG mit Ende 2021 auslaufen und somit eine Neueinreichung erforderlich ist, hoffen wir auf eine Verbesserung der oft unbefriedigenden Altlasten. Neue Bewilligungen gibt es künftig nur mehr für max. 7 Jahre.

Wir ersuchen um Verständnis, dass die MA 28 keine Rampen für einen barrierefreien Zugang zu einem bewilligten Schanigarten errichten wird. Dies ist die Aufgabe der privaten Betreiber und nicht der öffentlichen Hand mit Steuergeldern. Bei Rampen ist jedoch darauf zu achten, dass diese innerhalb des Schanigartens errichtet werden, da sie sonst eine Stolperfalle für den fließenden Fußgängerverkehr darstellen.

Sollten Schanigärten nicht dem Bundes Behindertengleichstellungsgesetz entsprechen, ist dies bei der Schlichtungsstelle beim Sozialministerium vorzubringen.

Für die von Ihnen angesprochene Reform des GAG dürfen wir Sie an die zuständige Geschäftsgruppe Finanzen und Wirtschaft verweisen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr.in Mira Mayrhofer, MSc
Büroleiterin Geschäftsgruppe Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung“

Zur Errichtung von Rampen:
Im Masterplan Verkehr ist eine Mindestbreite von zwei Metern festgeschrieben. Bei genügender Rest-Gehsteigbreite (2 m) sind normgerechte Rampen keine Stolperfalle für den fließenden Fußgängerverkehr – auch wenn sie nicht innerhalb des Schanigartens errichtet werden.

Zur Errichtung von Schanigärten auf Privatgrund:
Nach Veröffentlichung des BMIN-Artikels Neuer Schanigarten wieder nicht barrierefrei am 4.06.2020 und einem Brief an die Behörden teilte uns das MBA21 folgendes mit (GZ. 505266-20 / 26.06.2020): „Zu Ihren Schreiben vom 10. und 12. Juni 2020 wird seitens der Magistratischen Bezirksamtes wie folgt Stellung genommen: Betreffend des Schanigarten „Venuss“ wird mitgeteilt, dass sich dieser auf Privatgrund befindet und daher keine Bewilligung erforderlich ist.“
Anm.: Auch auf Privatgrund sollte es nicht möglich sein behinderte Menschen auszugrenzen und zu diskriminieren, wenn dort Speisen und Getränke ausgegeben werden. Auch hier könnte das Land Wien die Kompetenz übernehmen und eine Bewilligungspflicht auch für auf Privatgrund errichtete Schanigärten einführen. Somit wird das reformbedürftige BGStG (Bundeskompetenz) umgangen. Mit einer bundesweiten Reformierung des GAG (es gibt für jedes Bundesland ein eigenes GAG) sollten ohnedies alle diesbezüglichen Kompetenzfragen beseitigt sein.

Da wieder auf das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) hingewiesen wurde: Die Reformbedürftigkeit vom BGStG ist augenscheinlich. Es sieht nach wie vor keinen generellen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch vor, sondern lediglich materiellen Schadensersatz.
Dieser Zustand ist für die Betroffenen untragbar. Denn dies bedeutet, dass jeder neuerrichtete Schanigarten der nicht barrierefrei ist, privatrechtlich von den Betroffenen geschlichtet und im Endeffekt eingeklagt werden müsste. Die bauliche Diskriminierung kann bei einer etwaigen Privatklage gerichtlich zwar festgestellt werden, jedoch beseitigt werden muss sie nicht. Folglich hat eine Klage wenig Sinn, da ein neues Podest (ohne Stufen) nicht errichtet werden muss. Hier ist der Bundes-Gesetzgeber gefordert.
Anm.: Die meisten Schanigärten mit Podesten sind schlecht geplant, da oft kein barrierefreier Zugang vorgesehen ist.
Die Beseitigung der Diskriminierung, die ja gerichtlich festgestellt werden muss, ist eine Zentralforderung der Behindertenbewegung seit der Einführung des BGStG. Auch die gerichtliche Geltendmachung ist wegen des Prozessrisikos eine große Hemmschwelle für die Betroffenen. So ist auch der Begriff „Zumutbarkeit“ ein dehnbarer und nicht wirklich effizient anwendbar. Eine Novellierung des BGStG ist notwendig („Alibigesetzgebung“).
Vorschlag: Bei Einschaltung z.B. der Behindertenanwaltschaft, die ja das nötige Fachwissen besitzt, könnte der Staat – falls es zu Gerichtsverhandlungen überhaupt kommt – das Risiko der Gerichtskosten tragen, solange eine diesbezügliche Novellierung vom BGStG (Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch) nicht erfolgt ist.

Menschen mit Behinderung sind nicht verantwortlich für Einhaltung der Rechtsnormen. Dies erfordert enormes Fachwissen. Das Fachwissen sollte allerdings die zuständige Bewilligunsbehörde bzw. deren Beamte haben. Sie ignorieren den Schanigartenleitfaden (MA19) den es in Wien bereits seit 2013 gibt. Dieser schreibt u.a. auch barrierefreie Zugänglichkeit vor. Denn sonst wäre es unmöglich eine Bewilligung bei neuerrichteten, nicht barrierefreien Schanigärten zu bekommen (Podeste mit bis zu 18 cm hohen Stufen). Der Leitfaden für Schanigärten (MA 19) ist lediglich eine Richtlinie – ohne Rechtsanspruch – und wird offensichtlich bei Neubewilligungen immer öfter ignoriert. Der zukünftige Betreiber eines Schanigartens muss einen Plan einreichen, wo ja die barrierefreie Zugänglichkeit ersichtlich sein sollte. Wir könnten den Beamten der zuständigen Behörden unterstellen, dass sie entweder keinen Plan lesen können oder keinen Wert auf Barrierefreiheit legen und somit Menschen mit Behinderung ausgrenzen. Um dies auszuschließen muss offensichtlich das GAG reformiert werden.

Wer achtet auf Barrierefreiheit?
Wie wir erfahren haben, gibt es in ganz Wien keine Stelle, die Barrierefreiheit regelt und überprüft. Es gibt nur beratende Stellen.
Die meisten Schanigärten mit Podesten kommen bei guter Planung ohne Rampe aus, da sie lediglich zum Niveauausgleich eines Gefälles (Straße-Gehsteig) gebaut werden sollen.

Reform des Gebrauchsabgabegesetz (GAG):
Diese müsste baldigst erfolgen, denn sonst ändert sich wieder nichts. Denn wenn Ende 2021 dauerbewilligte Schanigärten auslaufen und somit eine Neueinreichung erforderlich ist, wäre dies der richtige Ansatz, damit nicht barrierefreie Schanigärten endlich der Vergangenheit angehören.
BMIN-Aktivist und NR.Abg. a.D. Manfred Srb hat schon 2012 eine Gesetzesnovelle im GAG angeregt. Der Gesetzesantrag müsste verlangen, dass in § 2 Abs. 2 beim Punkt „öffentliche Rücksichten“ der Begriff „Barrierefreiheit“ hinzugefügt wird. Die Inklusion von Menschen mit Behinderung sollte doch ein zentrales Anliegen aller politischen Parteien sein.
Egal welche rechtlichen Rahmenbedingungen vorliegen, es kann jedenfalls nicht rechtskonform sein, wenn die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung nicht ausgeschlossen werden kann. Nicht barrierefrei zugängliche Schanigärten entsprechen jedenfalls nicht der
UN‑Behindertenrechtskonvention, UN-BRK.

Wie stehen der zuständige Stadtrat Peter Hanke und die SPÖ zu einer diesbezüglichen Reform des GAG?
BMIN ersucht um eine schriftliche Stellungnahme von der zuständigen Geschäftsgruppe Finanzen und Wirtschaft.

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