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Menschen mit Behinderung: Viel Potential wird liegen gelassen

Text: Arbeiterkammer NÖ
AKNÖ-Enquete zeigt Probleme und Diskriminierung am Arbeitsmarkt auf

St. Pölten/Wien (OTS) - 32 Prozent aller begünstigt Behinderten in Niederösterreich sind nicht erwerbstätig. Das hat eine Enquete der AKNÖ in St. Pölten aufgezeigt. Die Inklusion von Menschen mit Behinderung sei in der österreichischen Gesellschaft und in der Politik nach wie vor ein Randthema, zeigten sich Betroffene und ExpertInnen einig.

"Heuer sind um 20 Prozent mehr Menschen mit Behinderung in Niederösterreich arbeitslos als im Vorjahr. Die Situation kann nicht schön geredet werden." AKNÖ-Vizepräsident Michael Fiala sparte bei der AKNÖ-Enquete "Auf die (Arbeits-)Plätze, fertig, los!" nicht mit Kritik. Insgesamt ist fast jeder dritte begünstigt Behinderte ohne Arbeit. Die Befürchtung von Gewerkschaften und ExpertInnen, dass der gelockerte Kündigungsschutz keine neuen Arbeitsplätze für die Betroffenen schaffen würde, hat sich bestätigt.

Alfred Müller von der Arbeitsassistenz des Behindertenverbandes ÖZIV macht unter anderem die gesunkenen Förderungen für die Eingliederung von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt verantwortlich. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 seien diese teilweise um bis zu 80 Prozent gesunken. Auch insgesamt gebe es eine Schieflage: "Bei kleinen Betrieben führen die Wiedereingliederungshilfen zu Beschäftigung, bei größeren nicht. Das liegt auch daran, dass die Ausgleichstaxe zu niedrig ist." Besonders betroffen: Arbeitslose mit Behinderung über 50. Wenn Betriebe sie einstellen, bekommen sie de facto die gleiche Förderung wie für Arbeitslose über 50 ohne Behinderung. Das schafft keinen Anreiz, einen Menschen mit Behinderung einzustellen.

Harte Kritik äußerten ArbeitsassistentInnen auch am AMS. "Wenn sich Menschen mit Behinderung arbeitslos melden wollen, werden sie häufig in die Gesundheitsstraße geschickt und dort für arbeitsunfähig erklärt", schildert eine Assistentin. Die Betroffenen, die arbeiten wollen, fallen so um das Arbeitslosengeld um und haben keine Aussicht auf Jobvermittlung durch das AMS. "Wir werden Menschen mit Behinderung unterstützen, wenn sie gegen solche AMS-Bescheide klagen", kündigt Behindertenanwalt Erwin Buchinger an. AMS-NÖ-Vertreter Lucas Gruber spricht von Einzelfällen. Systematik stecke keine dahinter.

Einig zeigten sich Betroffene, ExpertInnen und InteressenvertreterInnen im Hauptgrund für die schlechte Lage von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt: Betrieben fehle es häufig an Information und Bewusstsein, Betroffene sähen sich Vorurteilen und Ängsten konfrontiert. Auch die Ausgleichstaxe müsse deutlich erhöht werden. Neben den bestehenden Förderungen bestehe die Hauptaufgabe von Behörden, AMS und Arbeitsassistenz in "Bewusstseinsbildung, Bewusstseinsbildung, Bewusstseinsbildung", wie es Jan Philipp Cernelic, Leiter der Behindertenhilfe im Amt der Landesregierung auf den Punkt brachte. Und man müsse aufhören, Menschen mit Behinderung als Menschen mit besonderen Bedürfnissen darzustellen, forderte AKNÖ-Vizepräsident Fiala: "Ihr Bedürfnis ist faire Arbeit, von der man auch vernünftig leben kann.