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Die Krankenkasse bittet die Betroffenen zur Kasse

Die Krankenkasse bittet die Betroffenen zur Kasse published on

Die Zeiten sind hart, das Geld wird knapp. Der Staat muss sparen, um die Systeme zu retten, die Banken zu retten, unseren Wohlstand zu sichern; und das möglichst ohne jenen weh zu tun, die wirklich etwas zu verlieren hätten. 

Ein Kommentar von Pepo Meia

Seit geraumer Zeit wird man das Gefühl nicht los, dass gerade bei den Schwächsten der Gesellschaft eingespart werden soll, bei jenen, die der Gesellschaft nichts mehr bringen, die nur Kosten verursachen. Bei den Pensionisten, den Alten, den Kranken, bei behinderten Menschen …

Ein alter Slogan von Liedermacher und Rollstuhlfahrer Sigi Maron: Alt, krank, arbeitslos und invalid – es hilft dem Staat dein Suizid! – Wir halten dagegen, und dies soll nicht als Drohung verstanden werden: Behinderte Menschen wollen „ewig“ Leben – Denn: Was schon jahrelang im Österreichischen Gesundheitswesen abläuft, kommt eigentlich einem „Mord auf Raten“ gleich. – Wir werden „totgespart“.

Beispiele gefällig?

• Die jährliche Nichtvalorisierung des Pflegegeldes ist eine Entwertung der gesetzlichen Leistung für Pflegebedürftige und spart dem Staat Millionen! Dasselbe trifft übrigens auch auf die Kinderbeihilfe zu.

• Wer zur WGKK geht, um eine Verordnung für einen Heilbehelf einzureichen, wird oft schon am Schalter abgewiesen, ohne überhaupt zu den Chefärzten vorzudringen. Nur die Beharrlichen und Unbequemen, die sich auskennen, kommen mit viel Mühe zu ihrem Recht – und wieder wird auf Kosten der Betroffenen gespart -, aber nicht nur das, sondern die Krankenkasse bittet nun auch noch die Betroffenen zur Kasse – dies ist eine „versteckte“ Beitragserhöhung!

Nach einer Reihe offener Briefe, Rechtstreitigkeiten und Radiosendungen wichen die dumpfen Gefühle mehr und mehr knallharten Fakten. Ein Geheimdokument wurde mir zugespielt, aus dem hervorgeht, auf welche Weise weitere massive Leistungskürzungen und versteckte Beitragserhöhungen behinderten Personen zugemutet werden.

Dies muss öffentlich gemacht werden, denn solange das Gesundheitswesen in ineffizienten föderalistischen Strukturen gebunden ist, nützen die Sparvorgaben der jeweiligen Bundesregierungen (wie immer wieder kolportiert wird) nichts. Es ist nicht einzusehen, dass in einem der reichsten Länder der Welt, immer wieder die Ärmsten der Gesellschaft ausgepresst werden, um die Privilegien der Elite abzusichern.

Zitat aus einem Dokument der WGKK vom März 2010:

„Aufgrund der prekären finanziellen Situation der Wiener Gebietskrankenkasse ist das Büro der Kasse bereits seit Monaten angehalten, mögliche Einsparungspotentiale – ohne Einschränkung des Leistungsangebotes – ausfindig zu machen. Demnach wurden unter der Voraussetzung einer teilweisen Kostenübernahme bzw. einer anderen Kostenträgerschaft durch Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, wie z.B. dem Bundessozialamt oder dem Fonds Soziales Wien, in einigen Produktionsbereichen die bislang geltenden Abgabemodalitäten unserer Kasse verändert. Es wurde entschieden dass … “

Zum Verständnis

Der Fonds Soziales Wien (FSW) Privatrechtsträger der Stadt Wien, ist u.a. auch für Leistungen ohne Rechtsanspruch für behinderte Menschen zuständig.

Die Kasse wandte sich an die Heilbehelfsfirmen mit einer pikanten Anfrage. Es begann mit der Entscheidung, Krankenbetten, Therapiefahrräder und Multifunktionsrollstühle nicht mehr als Heilbehelfe zu definieren, sondern als „Einrichtungsgegenstände bzw. Pflegebehelfe, für welche die gesetzliche Krankenversicherung nicht leistungszuständig ist.“

Ich wiederhole: Notwendige Hilfsmittel, die bisher gesetzliche Leistungen der WGKK darstellten, wurden durch eine Änderung der Begriffsdefinition aus den Leistungen gestrichen! Die Betroffenen werden also Opfer einer zynischen Wortklauberei.

Der Brief geht weiter: „Konsequenz dieser Entscheidung ist, dass nunmehr beim Depotverwalter unserer Kasse die Anzahl der eingelagerten Geräte permanent ansteigt und die Leistungskapazitäten völlig ausgeschöpft sind.“

Warum das?

Solange diese Leistungen Kassenleistungen waren, waren die Krankenbetten, Therapiefahrräder und Multifunktionsrollstühle Eigentum der WGKK und wurden von dieser auch gelagert. Nun aber hat die WGKK damit nichts mehr zu tun und diese „Einrichtungsgegenstände“ stehen im Weg herum und verursachen nur Lagerkosten. Darum wandte sich die WGKK hilfesuchend an die Heilbehelfsfirmen mit einem lukrativen Angebot, dieses Lager günstig aufzukaufen.

Der Clou

Ab dieser Entscheidung sind die genannten Heilbehelfe nunmehr Eigentum der Heilbehelfsfirmen, wobei sie von der WGKK nicht mehr als Heilbehelfe, sondern als Pflege-Einrichtungsgegenstände deklariert werden (der innere Widerspruch ist offensichtlich).

Für die großen, gewinnorientierten Heilbehelfsfirmen ist das ein respektables Geschäft, das etwa für Standardrollstühle (Krankenfahrstühle – ist dies nun ein Heilbehelf oder ein Pflege-Einrichtungsgegenstand?) folgendermaßen aussieht:

Tagesmiete: 0,35 Euro (Standardrollstuhl); 0,49 Euro (Standard mit verstellbarer Rückenlehne, Schwerlast-, Leichtgewicht- oder Trippel-Rollstühle (zahlt die WGKK an die Heilbehelfsfirmen)
Preis für Abholung Wien: 16,- Euro; Umkreis Wien 40 km: 25,- Euro
Maximaler Einsatz: 80,- – 100,- Euro (dies ist natürlich von den Betroffenen zu bezahlen)

Pro Jahr fallen so Mietkosten (35 Cent Tagesmiete) von 127,75 Euro an. 10 Jahre musste ein Rollstuhl der WGKK von den Betroffenen genutzt werden.

Realistische Nutzungsdauer? – Kommt auf den Gebrauch und die Qualität des Rollstuhles an. In einem Pflegeheim wenn die Betroffenen hauptsächlich geschoben werden, fallen sicherlich fast keine Reparaturen an. Die Mietkosten summieren sich also dann in 10 Jahren auf 1277,50 Euro, vorausgesetzt, diese Preise werden analog zum Pflegegeld nicht valorisiert (was bei einem gewinnorientierten Unternehmen jedoch unüblich ist).

Hinzu kommt, dass sämtliche Reparaturen nicht mehr von der WGKK bezahlt werden müssen entweder vom Besitzer (Betroffene) oder Eigentümer (nunmehr die Heilbehelfsfirma). Also die Reparaturen werden dann oft von den Betroffenen zu bezahlen sein. In einem Mietnehmervertrag die die Betroffenen bzw. Sachwalter zu Unterschreiben haben, werden die Bedingungen genau definiert. Hält man diesen Kosten entgegen, dass die günstigsten (No-Name) Rollstühle bereits ab 150,- Euro erhältlich sind, greift man sich an den Kopf.

Wer einmal auf einer Reha-Messe war weiß, wie individuell Rollstühle angepasst werden können – je nach Behinderung und Krankheit. Und Insider wissen, dass die Qualität der Rollstühle wegen der Gewinnmaximierung immer schlechter wird.

Link BIZEPS

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