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Keine barrierefreie Toilette – muss „Plachutta“ Schadenersatz zahlen?

Keine barrierefreie Toilette – muss „Plachutta“ Schadenersatz zahlen? published on

Text: Pepo Meia
In der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ vom 26.02.2022 wurden barrierefreie WC´s in der Gastronomie thematisiert
Hans-Jürgen Groß ist auf den Rollstuhl angewiesen. Er erkundigte sich vor seinem Besuch im Restaurant „Plachutta“ in der Wollzeile, im ersten Wiener Gemeindebezirk, ob es eine für Rollstuhlfahrer zugängliche Toilette gäbe. Dieses wurde bejaht, war aber tatsächlich nicht der Fall. Herr Groß konnte die Toilette deshalb nicht, wie alle anderen Gäste benützen. Deshalb klagte er den Lokalbetreiber, nachdem es bei einer vorherigen Schlichtung im Sozialministeriumservice keine Einigung gab. Herr Groß bekam in einem Urteil erster Instanz 1000 Euro Schadenersatz zugesprochen.

In der ORF-Bürgeranwaltsendung brachte der Anwalt von der Gastronomiekette Mario Plachutta Ges.m.b.H. Dr. Georg Rösner vor, dass der Einbau einer barrierefreien Toilette im Restaurant in der Wollzeile aufgrund der historischen und beengten Räumlichkeiten sowie der Lage der Steig- und Abfallstränge eine unzumutbare Belastung darstellen würde. Außerdem bot der Kellner vom Restaurant Herrn Groß Hilfe an, damit dieser seine Notdurft verrichten könne. Das Urteil kann er deshalb nicht akzeptieren und geht in die zweite Instanz.

Hans-Jürgen Groß, MBA

H.-J. Groß: „Ein WC ist eine derartige Selbstverständlichkeit, da erübrigt sich für mich jede Diskussion bezüglich Ausnahmen. Wer isst und trinkt muss aufs Klo. Wer das gastronomisch anbietet, muss auch dafür sorgen, und zwar für jeden Gast! Weiters ist es unzumutbar und erniedrigend, von einer unbekannten Person – „sprich Kellner“, in einem so intimen Bereich Hilfe annehmen zu müssen.“

Im Urteil wurde Folgendes festgehalten:Die Beklagte (Plachutta GmbH) wäre folglich seit dem 1.1.2016 verpflichtet gewesen, eine barrierefreie Sanitärräumlichkeit für ihre Gäste zur Verfügung zu stellen. Dieser Verpflichtung ist sie nicht nachgekommen. Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass ihr die Errichtung einer derartigen barrierefreien Sanitäranlage aufgrund des damit verbundenen Aufwandes unzumutbar sei, weshalb dem Begehren des Klägers stattzugeben war.“

Weiters wurde festgehalten:Die Übergangsfristen des § 19 Abs 2 BGStG seien am 1.1.2016 abgelaufen, weshalb die Beklagte verpflichtet gewesen sei, eine barrierefreie Toilette einzurichten. Die Wiener Mindestausstattungsverordnung würde dem nicht entgegenstehen, sondern sei kumulativ anzuwenden.“

Eine große Schwäche des BGStG ist allerdings, dass lediglich Schadenersatz vor Gericht erreicht werden kann. Ein Umbau kann nicht erzwungen werden. 

Der Anwalt von H.-J. Groß Dr. Mathis Fister bot folgenden Lösungsvorschlag an, um die gerichtliche Streitigkeit zu beenden: „Nach dem eindeutigen Gerichtsurteil sollten die Anstrengungen seitens Plachutta verstärkt werden, etwas mehr für die Barrierefreiheit zu tun. Herr Groß ist ebenfalls Sachverständiger für barrierefreies Bauen. Im Zuge des Verfahrens wurde auch ein Plan von den ausgedehnten Kellerräumlichkeiten des Lokals in der Wollzeile vorgelegt. Es ist eigentlich kein Grund zu erkennen, dass dort keine barrierefreie Toilette eingerichtet werden kann. Herr Groß sei bereit, sich mit an einen Tisch zu setzen um über Lösungsmöglichkeiten zu sprechen.“

Hans-Jürgen Groß abschließend: „Welchen Stellenwert haben Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft, wenn wir es nicht schaffen, eine behindertengerechte Toilette vorzufinden, bei einem Topgastronomen wie der Fa. Plachutta, für den die Nachrüstung wirtschaftlich kein Problem darstellt.“

Anm.: Für Rollstuhlnutzer wird eine mobile Rampe ausgelegt, damit man die beiden Eingangsstufen zum Lokal überwinden kann.

Link: tvthek-orf – Bürgeranwalt vom 26.02.2022 – Beitragslänge: 18:07 Min.

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Gericht bestätigt Diskriminierung durch Plachutta Wollzeile
Wiener konnte nicht aufs WC – Lokal soll 1.000 € zahlen (heute.at – 27.02.2022)

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