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Wien: MA 40 reduziert Mindestsicherung

Wien: MA 40 reduziert Mindestsicherung published on

Text: Pepo Meia, Niels Cimpa
Tatsachenbericht nach einem Gespräch mit einem Rollstuhlfahrer, der anonym bleiben will.
Ein Einzelfall – Fehler im System?
Ein pensionierter Rollstuhlfahrer bekam Anfang Juni einen Bescheid der MA 40, indem zu entnehmen war, dass seine Mietbeihilfe (Mindestsicherung) um die Hälfte gekürzt wurde.

Weniger Miete – weniger Mindestsicherung
Dem Bescheid war zu entnehmen, dass die Miete stark reduziert und deshalb die Mietbeihilfe gekürzt wurde. Da es sich nur um einen Irrtum handeln konnte, wollte der Betroffene die Angelegenheit sofort telefonisch bei der im Bescheid angegebenen Nummer aufklären.

Persönliche Daten werden abgefragt – Richtlinie vorgegeben
Die Telefonistin fragte sofort die Sozialversicherungsnummer ab. Die wollte der Betroffene nicht preisgeben, da dies ja sensible personenbezogene Daten sind. Die Beamtin zeigte Verständnis, meinte jedoch, dies sei eine Weisung / Richtlinie, die von oben strikt vorgegeben sei. Zusätzlich wollte sie dann noch den Namen und die Adresse des Pensionisten abfragen. Auf das Argument, dass wie üblich die in einem Bescheid vorhandene Aktenzahl genügen würde, ging die Beamtin gar nicht näher ein. Sie meinte freundlich aber bestimmt, dass sie nach ihrer vorgegebenen Richtlinie vorzugehen habe.

Nur schriftlicher Einspruch möglich
Nochmalige Anrufe um mit der zuständigen Abteilungsleiterin zu sprechen, die ebenfalls den Bescheid unterzeichnet hatte, waren vergeblich. Er wollte auch erfragen, wer diese skurrile Richtlinie ausgegeben hat. Stattdessen traf er auf eine äußerst überhebliche Beamtin, die salopp meinte, er könne ja einen schriftlichen Einspruch machen, wenn er seine Sozialversicherungsnummer nicht preisgeben möchte, und ließ den Betroffenen kaum ausreden. Das Gespräch wurde etwas lauter – dabei wollte er nur den Fehler telefonisch aufklären, der eindeutig von der MA 40 begangen worden war.

Vorläufige Zusammenfassung: Ein Rückruf sei nur nach Angabe der Sozialversicherungsnummer, des vollen Namens und der Adresse des Betroffenen möglich. Dann sollte ein Rückruf innerhalb von drei Werktagen erfolgen. Falls der Rückruf nicht erfolgt, muss man die Reise zur MA 40 antreten. Sonst bleibt noch die Möglichkeit eines schriftlichen Einspruches.
Anm.: Die MA 40 (U3 Station Erdberg) ist für mobilitätseingeschränkte Personen beschwerlich und nur über einen Außenaufzug und einen relativ weiten Fußmarsch zu erreichen. Dies wurde von BMIN und einigen Behindertenorganisationen schon oft kritisiert.

Verzögerungstaktik?
Ein ausgemachter Rückruf kam jedoch nicht zustande, da die Beamten der MA 40 scheinbar ausschließlich ohne Kennung telefonieren. Außerdem soll es der Vermittlung der MA 40 untersagt worden sein, Anrufe zu den zuständigen Beamten der MA 40 direkt durchzustellen. Dies macht es extrem schwer, dass überhaupt ein Gespräch zustande kommt (Dies betrifft allerdings nicht nur die MA 40).
Anm.: Als Betroffener soll man seine personenbezogenen Daten telefonisch preisgeben – die Beamten telefonieren ohne Kennung anonym und ohne Rückrufmöglichkeit.

Verärgerung über die Vorgangsweise der MA 40
Deshalb schickte der Rollstuhlfahrer nach einigen Tagen einen Bevollmächtigten zum Thomas Klestil–Platz, wo die MA 40 beheimatet ist (drei Stunden Zeitaufwand + Fahrtkosten). Über das Mobiltelefon des Bevollmächtigten konnte er nun endlich mit einer Referentin sprechen, die jedoch nicht den Bescheid ausgestellt hat. Diese meinte, der Fehler liege bei seiner Antragstellung, da ja aus einem Schreiben im Akt hervorgeht, dass die Miete seiner Wohnung deutlich reduziert wurde. Unverständnis des Betroffenen, da dies ja nicht der Fall war. Abschließend meinte die Beamtin: „Falls tatsächlich der Fehler beim Vermieter (in diesem Falle Wiener Wohnen) liegen sollte, könne er ja einen neuen Antrag stellen.“
Der Pensionist war über die Vorgangsweise der MA 40 äußerst verärgert. Auch über die Art und Weise wie man mit ihm umgegangen war.

Fehler lag bei der MA 40
Es stellte sich heraus, dass die zuständige Referentin (von der Kanzlei) eine zusätzliche andere Mietvorschreibung, zwar derselbe Name, jedoch eine komplett andere Adresse, im (digitalen?) Akt hatte. Deshalb wurde dann laut MA 40-Bescheid die Mindestsicherung (Mietbeihilfe) des Pensionisten halbiert.
Anm.: Schon nach knapp einer Woche erhielt der Pensionist einen neuen korrigierten Bescheid der MA 40. Die Referentin, die für den Fehler verantwortlich war, hat sich bereits beim Betroffenen telefonisch (ohne Kennung) entschuldigt. Eine schriftliche Entschuldigung wie vereinbart, ist noch ausständig. Dann ist die Sache für den Rollstuhlfahrer erledigt.

Kürzung der Mindestsicherung wäre sicherlich erfolgt
Wenn dem Betroffenen das Schreiben per Post nicht zugestellt worden wäre, was schon öfters vorgekommen sein soll, dadurch die angegebene Einspruchsfrist versäumt worden wäre, wäre sicherlich die Mindestsicherung (Mietbeihilfe) gekürzt worden.
Wenn man jedoch den offiziellen Weg (Einspruch) gegangen wäre, wäre die Mindestsicherung trotzdem vorläufig reduziert worden. „Beschäftigungstherapie“ für Juristen und Beamte und unnötige Ressourcen des Landes Wien würden beansprucht werden. Und die Mühlen der Verwaltung mahlen bekanntlich langsam. Die betroffene Referentin, die den Fehler begangen hat, würde bei einem Einspruch möglicherweise um ihre Anstellung bei der MA 40 bangen müssen…

Zusammenfassung: Ein Einzelfall oder System im System?
Handelt es sich lediglich um einen unglücklichen Einzelfall? Möglicherweise…
Interessant wäre statistisch zu erfahren, wie oft solche „Irrtümer“ bzw. Fehler passieren. Ein falsch abgelegtes Schreiben im Akt war schuld für die falsche Bescheidausstellung. Der Bescheid hätte also nie die MA 40 verlassen dürfen.
Anm.: Aus dem BMIN-Artikel (2013) „5% der Anträge gehen verloren„, geht hervor, dass bei der WGKK statistisch fünf Prozent der Anträge „verlorengehen gehen“ bzw. verschwinden. Kann es sein, dass solche Fehler statistisch ähnlich oft bei der MA 40 passieren wie bei der WGKK? Oder wenn man ganz böse denkt: Ist es System im System, damit man die ärmsten der Gesellschaft schikaniert und noch zusätzlich dabei einspart?

Richtlinie widerspricht dem Datenschutz – wer gibt so eine Weisung?
Wer erteilt so eine skurrile, unserer Meinung nach, dem Datenschutz widersprechende Weisung bzw. Richtlinie, wo Betroffene fast genötigt werden, sensible personenbezogene Daten immer wieder jedem Beamten telefonisch preiszugeben?
Die naheliegende Vermutung: Eine interne Weisung der MA 40, die für hunderttausende Fälle der Mindestsicherung zuständig ist und diese bearbeiten muss.
Anm.: Auch normale Gespräche über Mobiltelefone können heutzutage (auch von technisch versierten Privatpersonen) relativ einfach überwacht bzw. abgehört werden.

BMIN-Forderung:
Es ist üblich, dass Betroffene generell als Kunden bezeichnet werden – auch bei der MA 40. Eine Kundennummer für Mindestsicherungsbezieher wie in der Privatwirtschaft wäre auch eine Möglichkeit. Jedoch ein Mindestsicherungsbezieher kann sich die Magistratsabteilung bzw. die Referentinnen und Referenten nicht aussuchen. Eine interne Ombudsstelle (telefonisch mit Durchwahlmöglichkeit und Klappennummer direkt erreichbar) könnte ebenfalls solche offensichtlichen Fehler rasch aufklären. Ein internes Kontrollmanagement wäre auch eine Möglichkeit, dass offensichtlich falsche Bescheide nicht die MA 40 verlassen, die ja auch viele Beamte und Juristen beschäftigt.

Sozial- und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker ist gefordert und sollte eine Reorganisation der MA 40 im Sinne aller Betroffenen möglichst rasch in die Wege leiten, wie schon vor Jahren beim FSW (Aktenzahl bzw. Kundennummer – statt telefonischer Abfrage sensibler Daten). Denn solche Fehlentwicklungen im Sozial- und Gesundheitsbereich haben sicherlich der SPÖ schon viele Wählerstimmen gekostet.
Anm.: Die regierende SPÖ Wien will ja bekanntlich bei der nächsten Gemeinde- und Landtagswahl wieder die absolute Mehrheit erringen.

Presseaussendungen und Artikel zum Thema:
Sandler: Kürzungen treffen besonders auch Menschen mit Behinderung
Text: SPÖ (sc/ah/mp) – auszugsweise
Wien (OTS/SK) … Ebenso wenig Beachtung schenkt die ÖVP-FPÖ-Regierung der Situation von Menschen mit Einschränkungen durch Krankheit und Behinderung, die ebenfalls eine große Gruppe der Bezieher von Mindestsicherung ausmachen. „Auch hier wird in Kauf genommen, dass diese Menschen noch mehr unter Druck kommen.“ Verschärft wird dies noch durch die jetzt schon oft schlechten Wohnverhältnisse und vergleichsweise hohen Wohnkosten für BezieherInnen der BMS (Bedarfsorientierte Mindestsicherung).
Die komplette SPÖ-Presseaussendung

Desolate Wohnbedingungen, gesundheitliche Einschränkungen und Chancentod für Kinder
Sonderauswertung der Statistik Austria zu Lebensbedingungen von Mindestsicherungs-BezieherInnen
Es gibt eine Reihe von Problemen in der Mindestsicherung, die in der Debatte der letzten Monate vergessen und verschwiegen werden: der Aufwand bei Menschen mit Behinderungen, mangelnde Hilfe bei Gesundheitsproblemen, nicht leistbares Wohnen, Chancentod für Kinder.
Über zwei Drittel sind Pensionisten, Kranke, Menschen mit Behinderung und Erwerbstätige (Aufstocker). 25% Pensionisten, 21% erwerbstätig, 21% im Haushalt (oftmals krank oder beindert), 6% in Ausbildung/ Weiterbildung , 28% arbeitslos (stehen also dem Arbeitsmarkt zur Verfügung).
• Sehr hohe Raten bei gesundheitlichen Einschränkungen, chronischer Krankheit und Behinderung.
• Starke negative Effekte bei Wohnsituation
• Massive Auswirkungen auf Gesundheit, Chancen und Teilhabe bei Kindern
Der komplette Artikel: Armutskonferenz.at

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