Skip to content

Behinderte Menschen nicht erwünscht

Behinderte Menschen nicht erwünscht published on

Text: Dr. Erwin Riess – ein Kommentar (Erstveröffentlichung: Stadtzeitung Augustin Dez. 2018)
Für behinderte Menschen ist das Kunsthistorische Museum (KHM) eine einzige Zumutung. Das war vor dreißig Jahren so, es war vor zehn Jahren so, als Österreich die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnete, und es wird, bedenkt man die abweisende, unfreundliche und diskriminierende Art mancher Museumsangestellten, besonders aber an der Kasse und der Information, auch in hundert Jahren so sein.

Zu den Fakten: Man kann als behinderter Mensch das Museum nur von einem Nebeneingang betreten. Dort wartet ein Schranken, ein Mitarbeiter wird gerufen, das dauert. Sobald der Mitarbeiter da ist, lotst er einen über einen offenen Innenhof mit unerträglich holprigem Pflaster – Menschen mit Krücken oder Rollatoren hätten hier keine Chance.

Wenn es regnet, schneit oder hagelt, ist man den Naturgewalten schutzlos ausgesetzt. Dann geht es in einen dunklen Kohlengang, in dem eine Stufe wartet, die durch eine improvisierte Rampe nur unzulänglich erschlossen ist. Benutzer_innen eines Elektrorollstuhls kommen hier an eine Grenze. Schließlich steht man vor einer Lifttür und wartet lange. Sehr lange.

Der Mitarbeiter tröstet mit der Mitteilung, dass es manchmal eine halbe Stunde dauert, bis der Lift kommt, er sei permanent überlastet. Diese Zeit nutzt der an einem Sprechdurchfall leidende Mitarbeiter, einem die Ohren vollzuplappern, man kann sich, da man ja auf den Lift wartet, der Zudringlichkeit nicht erwehren. In der Kabine ist wenig Platz, aber man kommt endlich in den Kassenraum.

In den Museumsshop kann man nicht vordringen, dort gibt es Stufen ohne eine Hebeplattform. Dann darf man sich als Rollstuhlfahrer in einer langen Schlange anstellen.

Zum Vergleich


In den großen Museen der Welt in London, den USA und den meisten anderen Ländern, ist es seit Jahrzehnten gute Übung, dass behinderte Menschen, die ja oft zusätzliche Hilfe brauchen, automatisch an den Warteschlangen zu einem eigenen Schalter vorgebeten werden und ihre Karten erhalten.
Schließlich wird man von einem Mitarbeiter oder einer Mitabeiterin zu einem Lift geführt und das wieder an der Warteschlange vorbei. (Whitney Museum und Guggenheim Museum/New York, Louvre/Paris, British Museum/London, Pergamonmuseum/Berlin u. v. m.)

Anm.
: International ist so, daß Rollstuhlnutzer sich deshalb nicht anstellen müssen, u.a., weil das Vorwärts-Ruckeln mit dem Rollstuhl sehr mühsam ist, wenn man den Leuten nicht auf die Fersen fahren will. Außerdem sieht man in sitzender Position nicht, da man von stehenden Menschen umgeben ist. Es ist auch ein Akt der Höflichkeit.

Nicht so im Kunsthistorischen Museum. Ist man nach zwanzig Minuten Wartezeit endlich an der Reihe, eröffnet einem die unfreundliche Kassendame in einem herablassenden Ton, dass man in zwei Stunden ein «Zeitfenster» erhalte, dann könne man für zwanzig Minuten die Brueghel-Ausstellung besuchen.

Man müsse aber damit rechnen, dass der Lift überlastet sei und dementsprechend wenig Zeit übrigbleibe. Nachdem man bisher fast eine Stunde zugebracht hat, um zur Kasse vorzudringen, ist das eine niederschmetternde Nachricht, deren Botschaft lautet: Behinderte Menschen sind im Kunsthistorischen Museum unerwünscht. Höfliche und freundliche Umgangsformen des Personals ebenso.

Dahinter steckt nicht die in Wien verbreitete uneigennützige Gemeinheit, dahinter steckt System. Die Leitung des Museums sollte sich der Öffentlichkeit stellen. Ferner, so die harsche Dame an der Kasse, gebe es für behinderte Menschen auch keine Ermäßigung, auch die Begleiterin müsse den teuren Vollpreis bezahlen.

Subtext: Was müssen behinderte Menschen den «Gesunden» auch die Plätze verstellen, sie sollen besser in ihren Heimen oder zuhause bleiben und Licht ins Dunkel schauen.

Anm. Red.: Ortskundige Rollstuhlnutzer wissen über die mangelnde Barrierefreiheit im Kunsthistorischem Museum (KHM) aber auch dem gegenüberliegenden Naturhistorischem Museum (NHM) bescheid.

Primary Sidebar