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Das teuerste Klo Wiens ist nicht barrierefrei

Das teuerste Klo Wiens ist nicht barrierefrei published on

Text: David Herrmann
Im Esterhazypark im sechsten Wiener Gemeindebezirk kann die Notdurft an mehreren öffentlichen WC-Anlagen verrichtet werden. „Loopi“, eine Bio-Toilette, die 500.000 Euro gekostet haben soll, steht neben einem Ö-Klo.

Eine halbe Million Euro für ein WC – das stinkt zum Himmel. Denn der Bund fördert das teuerste „Häusl“ der Stadt, ein Pilotprojekt, mit 281.000 Euro. Im Oktober 2021 wurde „Loopi“ offiziell vorgestellt – doch wer in der Nacht auf die kleine Seite muss, hat Pech gehabt – „Loopi“ hat ab 19 Uhr geschlossen. Wie schon in BMIN-Info berichtet, ist die teure Toilette zudem nicht barrierefrei. In den Nachtstunden kann das große Geschäft allerdings vor/neben oder hinter der Toilette verrichtet werden – Verunreinigung und Gestank sind die Folge. 

Ein „Häusl“ als Verstärkung
Fürs große Geschäft stehen nun ein eine Ö-Klo-Komposttoilette (Kaufpreis ab 4.500 Euro) als Verstärkung für das Bio-WC bereit. Auch von diesem Klo werden Menschen mit Behinderung ausgegrenzt.

Wie die Gratis-Tageszeitung „Heute“ berichtet, musste nun Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) 21 Fragen zu „Loopi“ beantworten:
Eine unabhängige Experten-Jury hat das WC im Rahmen eines Projekts „Stadt der Zukunft“ als förderungswürdig befunden. „Das Projekt ‚Loopi‘ soll zeigen, dass man beim Gang auf die Toilette nicht nur Wasser sparen, sondern auch Nährstoffe wiederverwerten kann, schreibt Gewessler.

„Lösung gegen Wasserknappheit“
Zudem würde es sich bei dem teuren Bio-WC um ein völlig autonomes, mobiles System handeln, das Abwasser vor Ort biologisch behandelt und alle Vorteile grüner Infrastrukturen mit sich bringe. Diese wären: „Kühlung der Umgebung durch Transpiration der Pflanzen, Erhöhung der Biodiversität“. „Dieses Toilettensystem kann weiters Technologieführerschaft und Wettbewerbsvorteile für österreichische Unternehmen generieren, da es eine Lösung gegen die Wasserknappheit z.B. in mediterranen Ländern oder in niederschlagsarmen Sommern bieten kann.“

281.189 Euro Förderung vom Bund
Im Zuge des Projekts sei der Einsatz des Prototyps unter realen Betriebsbedingungen über einen Zeitraum von 20 Monaten vorgesehen. „Die im Fördervertrag zugesagte maximale Förderhöhe beträgt € 281.189“, bestätigt die Ministerin in der Anfrage-Beantwortung. „Was ist der positive Nutzen für die Umwelt, der sich aus dem zwei Tonnen schweren Alucontainer ergibt?“, wollte die FPÖ in der Parlamentarischen Anfrage wissen.

„Beitrag zur Stadtbegrünung“
Aufgrund der stetig wachsenden urbanen Bevölkerung steige die Anzahl öffentlicher Urinale, so die Ministerin. Die Installation von konventionellen Systemen sei ressourcen- sowie kostenaufwendig und verlange Anschluss an öffentliche Infrastrukturen (Kanalisation, Strom, Wasser). „Das innovative, öffentliche Pflanzenurinal soll autark, energie-, kosten- und ressourceneffizient sein und einen Beitrag zur Stadtbegrünung leisten. „Loopi“ kombiniere städtische Begrünung mit naturbasiertem Abwasserrecycling und führe zu erheblichen Wassereinsparungen. Das Abwasser wird vor Ort biologisch behandelt und bringt alle Vorteile grüner Infrastrukturen mit sich. Diese wären: „Kühlung der Umgebung durch Transpiration der Pflanzen, Erhöhung der Biodiversität“ und sogar „Lärmreduzierung“– beim  „Heute“-Lokalaugenschein drang jedenfalls kein Laut durch die dicke Metalltür.

Bald kommt „großes Geschäft“
Das Nachfolge-Modell von „Loopi“ soll auch fürs „große Geschäft“ geeignet sein. „Experimente laufen bereits“, erklärte Projektleiterin Theresa Heitzlhofer von alchemia-nova gegenüber „Heute“. Noch bis Ende März kann das teuerste WC Wiens im Esterhazypark ausprobiert werden. Danach wird es an den Nordwestbahnhof in Wien-Brigittenau versetzt. Die vollständige Anfrage-Beantwortung im Volltext gibt es auf der  Parlaments-Homepage.

Anm.BMIN-Red.: Es ist unverständlich, dass bei einem Pilotprojekt, das europaweit eine ökologische Vorbildfunktion erfüllen soll, nicht an Menschen mit Behinderung gedacht wird und nicht barrierefrei zugänglich ist. Weiters wurden vorerst zwei mobile WC-Anlagen (Dixie und Ö-Klo) aufgestellt, die ebenfalls für Rollstuhlfahrer_innen nicht benutzbar sind. Das „Dixie-WC“ wurde inzwischen nach einigen Tagen entfernt – vermutlich wegen des Artikels in der Gratis-Tageszeitung „Heute“ (Printausgabe). Das geplante Nachfolge-Modell von alchemia-nova sollte für alle Menschen zugänglich sein – auch für Menschen mit Behinderung.

Es gibt in Österreich barrierefreie Alternativen. Z.B. von der MA 48 ein sogenanntes „Container-Klo“, das auch für Rollstuhlnutzer geeignet ist, da es ö-normgerecht ausgestattet ist (siehe Fotos oben). Sicherlich ist dieses auch für Parkanlagen, etc. geeignet.

Richtigstellung
BMIN wurde am 1. Februar 2022 von der Projektleiterin Theresa Heitzlhofer ersucht, eine Richtigstellung in unserem Artikel vorzunehmen, der wir natürlich nachkommen und diese auch veröffentlichen: 

„Die Darstellung in der Gratiszeitung „heute“ beinhaltet leider Falschmeldungen. Die Kosten stellen das Budget für die Entwicklung eines Prototyps inklusive mehrmonatiger Testphase in Betriebsumgebung mit wissenschaftlichem Monitoring dar. Die Kosten für eine Prototypentwicklung übersteigen in der Regel die Anschaffungskosten des finalen Produkts. Weder die Stadt Wien noch der Bund haben die Toilette „gekauft“.

Das Pflanzen Urinal ist in mehrerer Hinsicht innovativ: 
– unisex Urinal
– Schließung von Wasser- und Nährstoffkreislauf
– urbane Begrünung, die nicht gegossen und gedüngt werden muss

Hier finden Sie weitere Informationen zum Projekt: 

https://nachhaltigwirtschaften.at/de/sdz/projekte/loopi-beta-version.php

In diesem vorliegenden Projekt wird der Prototyp in Betriebsumgebung getestet. Der Fokus liegt auf Nährstoffrückgewinnungsraten über die verschiedenen Jahreszeiten, Wartungsaufwand, Nutzer*innenzufriedenheit, Anpassung an andere Klimazonen.

Aus Budgetgründen konnten wir in diesem Projekt leider keine barrierefreie Kabine einbauen, diese ist für die Weiterentwicklung von LooPi 2.0 auf jeden Fall vorgesehen.

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass wir an das Medium „HEUTE“ eine Aufforderung zur Gegendarstellung richten.

Der Artikel, aus dem Sie zitieren, enthält Falschmeldungen:

1. Es ist unwahr, dass das Pflanzen Urinal 500.000 Euro kostet.

Wahr ist, dass für die Entwicklung des Prototyps, inklusive monatelanger Tests in Betriebsumgebung mit wissenschaftlichem Monitoring über einen Zeitraum von mindestens 10 Monaten, durchgeführt im Rahmen eines dreijährigen Forschungsprojekts aus dem Programm Stadt der Zukunft, ein Budget von  468.649,00 Euro veranschlagt wurde.

2. Es ist unwahr, dass für das große Geschäft ein blaues Miet-Klo und eine Ö-Klo-Komposttoilette als Verstärkung für das Bio-WC bereit gestellt wurden.

Wahr ist, dass bereits vor Aufstellung des Pflanzen Urinals Miet-Klos im Esterhazypark als öffentliche Sanitäreinrichtungen bereit standen. 

3. Es ist unwahr, dass das Pflanzen Urinal aus Aluminium besteht.

Wahr ist, dass das Pflanzen urinal aus Edelstahl gefertigt, sowie rückbau- und recyclingfähig ist.“ 


Artikel zum Thema:
Unisex Pflanzen-Urinal für den öffentlichen Raum (25.10.2021)
„Barrierefreies“ öKlo im Test (BMIN-Info vom 2. Nov. 2021)
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