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Pflege: Nationalrat diskutiert Erfolgschancen des Reformplans

Pflege: Nationalrat diskutiert Erfolgschancen des Reformplans published on

Text: Parlamentskorrespondenz Nr. 517 vom 18.05.2022
Regierungsfraktionen sehen Meilenstein für Pflege, Opposition hält Vorhaben für unausgegoren
Wien (PK) – Die von der Bundesregierung anvisierte Pflegereform war heute erstmals Thema im Nationalrat. Bei einer Aktuellen Stunde mit Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch streuten die Koalitionsparteien ÖVP und Grüne dem Plan der Regierung Rosen: Das Reformpaket biete mit insgesamt 20 Maßnahmen und einem Volumen von 1 Mrd. € nachhaltige Verbesserungen für Pflegeberuf und -ausbildung sowie für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige. Dementsprechend lautete der Debattentitel: „Die Zukunft der Pflege jetzt sichern!“. Von den Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und NEOS hagelte es dagegen Kritik. Vor allem angesichts noch nicht ausverhandelter Details, etwa bei der Finanzierung, vermisst die Opposition eine echte Reform des Pflegebereichs im Regierungsplan. Vielfach wurde zudem eine zeitliche Befristung der angepeilten Verbesserungen befürchtet. Ungeachtet der inhaltlichen Differenzen drückten die Abgeordneten aller Fraktionen ihre Wertschätzung für die Arbeit von Pflegenden aus.

Die gesamte Parlamentskorrespondenz zur Pflegedebatte finden Sie auf der Parlamentsseite.

In der Mediathek des Parlaments kann man auch die Aufzeichnungen aller Reden anschauen. Hervorheben möchten wir die Rede von NAbg. Fiona Fiedler – Behindertensprecherin der NEOS – (Direktlink zur Rede – Länge ca. 5 Minuten). Sie hat uns dankenswerterweise ihre Rede zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt hat.

„Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuseherinnen und Zuseher, liebe gehörlose Menschen, liebe Pflegende!

Mit dieser Pflegereform erhalten Sie nun endlich die finanzielle Anerkennung, die Ihnen zusteht und ich sage es ganz klar: Ich gönne Ihnen allen jeden Cent!

Als die Stützen unseres Gesundheitssystems brauchen Sie aber wesentlich mehr Veränderungen. Es war höchste Zeit und wir freuen uns, dass diese Reform endlich auf dem Tisch liegt. Präsentiert wurden uns aber nur Überschriften. Wie die einzelnen Schritte umgesetzt werden sollen, wissen wir aber noch gar nicht und ich befürchte, dass vieles davon auch keinen Weg finden wird. Die angeblich größte Pflege-Reform seit Jahrzehnten ist de facto eine Milliarde Euro für Pflegekräfte für die nächsten zwei Jahren.

Wir wissen schon, dass Sie im Gesundheitsministerium denken, dass Sie mit einzelnen Schritten die Welt nach ihrer Regierungszeit vor vollendete Tatsachen stellen und dann all die angestrebten Verbesserungen von ihrer Nachfolge irgendwie geregelt werden müssen. Aber ich sage Ihnen: So funktioniert das nicht!

In Österreich denkt schon lange keine Regierung mehr an die Zeit nach ihrer eigenen Legislaturperiode, aber dass Sie so offensichtlich eine ganze Branche verhöhnen und dann auch noch Teile davon zur Gänze auslassen, ist besonders schamlos.

Schauen wir uns ihre Vorschläge im Detail an. Die Gehaltserhöhung, wie Sie sie nennen, ist ein zusätzliches Monatsgehalt. Ich bin schon sehr gespannt, ob Sie das über den Steuerausgleich machen oder ob Sie versuchen, alle Krankenhaus- und Pflegeheimbetreiber mit an Board zu nehmen und wenn ja: Wissen Sie, wie Sie mit der mobilen Pflege umgehen?

Aber gut, mit Nicht-Stationären Angeboten haben Sie es ja nicht so. Ihre zusätzliche Urlaubswoche steht ja nur für Pflegekräfte in stationären Settings zur Verfügung.

Der Beruf der niedergelassenen und mobilen Pflege bleibt somit äußerst unattraktiv, Sie zeigen kein Interesse an einer Entlastung für Angehörige, und pflegebedürftige Personen sind darauf angewiesen, irgendwann ins Altersheim zu gehen und haben auch gar nicht die Möglichkeit, gut versorgt zu Hause zu altern.

Eine nachhaltige Änderung für Pflegende Angehörige ist, dass die erhöhte Familienbeihilfe und Pflegegeld nicht mehr gegengerechnet werden. Das ist gut.

Aber sie sagen selbst, dass das den betroffenen Familien lediglich 60 Euro im Monat bringt. Das ist für viele der Betroffenen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn man bedenkt, wie viel medizinisches Equipment Eltern von chronisch kranken Kindern oder Kindern mit Behinderungen brauchen. Hier können Sie erheben, wer als pflegender Angehöriger zählt, aber wie wollen Sie herausfinden, welche und wie viele Personen pflegende Angehörige für Erwachsenen sind und wie wollen Sie diesen Bonus dann ausschicken? Wieder per Gutschein? 

Und um gleich bei Menschen mit Behinderungen zu bleiben: Gelten diese Maßnahmen auch für die Betreuer_innen und Assistent_innen von Menschen mit Behinderungen? Schon beim Coronabonus 2021 wurde auf diese Personen „vergessen“. Attraktivere Arbeitsbedingungen, wie zB höhere Gehälter und bessere Betreuungsschlüssel sind auch hier unumgänglich. Es darf in dieser Reform kein Unterschied zwischen Altenpflege und Behindertenhilfe gemacht werden, weil sich das wiederum negativ auf die Personalsituation auswirkt.

Im Ausschuss war die Rede von ausschließlich positivem Feedback auf diese Reform… ich habe ein lautes Grummeln vernommen, gerade im Bereich der Menschen mit Behinderungen, die alles andere als überwältigt von diesem „großen Wurf“ sind.

Die Schaffung einer bedarfsgerechten bundesweit einheitlichen persönlichen Assistenz kommt in dieser Reform auch nicht vor, um Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Als Lehrerin muss ich hier leider eine Themenverfehlung attestieren.

Sie müssen bei einem so wichtigen Thema wie der Pflege ernsthafte Reformen angehen. Die Menschen haben es verdient, dass wir das System langfristig und nachhaltig verbessern und wir werden unsere Vorschläge dazu weiterhin einbringen. Egal, wie oft Sie sie vertagen, nur weil Sie nicht über ernsthafte Reformen sprechen wollen.“

Man kann sich die komplette Debatte in der Parlaments-Mediathek ansehen – Dauer ca. 73 Minuten.

Anm.Red.: Wir haben uns die komplette Debatte angesehen und man hat den Eindruck, dass manche Nationalratsabgeordnete sich mit der Thematik nicht wirklich auseinandergesetzt haben. Vermutlich will man vor dem Fernseh-Publikum politisches Kleingeld machen. Ob dies dem Parlamentarismus dienlich ist?

Artikel und Presseaussendungen zum Thema:
Grebien/Grüne: Von Pflegereform profitieren Menschen mit Behinderungen und alle Pflegeberufe (BIZEPS online – 19.05.2022)
Pflegepaket sorgt für bessere Rahmenbedingungen im Pflegeberuf, Menschen mit Behinderungen und pflegenden Angehörigen bringt es zudem finanzielle Erleichterungen

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