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Barrierefreie Schanigärten: Stellungnahme vom Stadtratbüro Hanke

Barrierefreie Schanigärten: Stellungnahme vom Stadtratbüro Hanke published on

Text: Pepo Meia, Niels Cimpa
Vorweg: Es freut uns, dass die Geschäftsgruppe für Finanzen und Wirtschaft uns in den wesentlichen Punkten Recht gibt. Wir verstehen, dass die COVID 19 Krise und die bevorstehende Wien-Wahl eine Ausnahmesituation auch für Sachbearbeiter_innen darstellen, jedoch hätten wir uns eine klare, lösungsorientierte Antwort erwartet. Denn das Gebrauchsabgabegesetz (GAG) müsste bald reformiert werden (Ende 2021 laufen dauerbewilligte Schanigärten aus, somit ist eine Neueinreichung erforderlich).

GZ.: GFW-648925-2020
Sehr geehrte Damen und Herren!

Zu Ihrem Schreiben vom 7. September 2020 betreffend die Barrierefreiheit von Schanigärten darf ich Ihnen als zuständige Mitarbeiterin mitteilen, dass das Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966-GAG Regelungen für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde normiert, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient.

Wie Ihnen bereits richtigerweise das Büro der Geschäftsgruppe für Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung mitgeteilt hat, sind die zum Verfahren zugezogenen Fachdienststellen dazu angehalten, auf die Barrierefreiheit von Schanigärten soweit es möglich ist, zu achten. Auch der Verweis auf den Leitfaden für Schanigärten von der Magistratsabteilung 19 wurde bereits hingewiesen.

Regelungen der barrierefreien Nutzung innerhalb der Schanigartenfläche und der barrierefreien Nutzung einer Sondernutzungseinrichtung (z.B. eines Zigarettenautomatens) im GAG erscheint unter anderem kompetenzrechtlich bedenklich:

Die Barrierefreiheit des öffentlichen Raumes ist bereits als Zielbestimmung in § 1aGAG festgelegt („Der öffentliche Grund in der Gemeinde gemäß §1 dient dem bestimmungsgemäßen Gebrauch aller in Wien wohnenden und sich aufhaltenden Personen. Dabei wird berücksichtigt, dass […] der öffentliche Grund barrierefrei zugänglich ist.“) und damit auch bei Anwendung des § 2 Abs.2 GAG zu berücksichtigen. Diesbezügliche Bescheidauflagen -so erforderlich- ermöglichen die Bestimmungen über die Erteilung bzw. den Widerruf einer Gebrauchserlaubnis (z.B.§ 2Abs. 2 und § 4 Abs. 1 GAG).

Die Barrierefreiheit einer Sondernutzung, d.h. der barrierefreie Zugang zu Sondernutzungseinrichtungen (z.B. Rampen) sowie die barrierefreie Benützung von Sondernutzungseinrichtungen (z.B. innerhalb einer Schanigartenfäche und eines Ladevorbaues sowie eines Zigarettenautomatens) liegen in der Verantwortlichkeit des Sondernutzers, dem zivilrechtlich auch mehrere Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (vgl.§ 2 Abs. 2 und § 6 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz). Hier ist kompetenzrechtlich fragwürdig, ob das GAG das zivile Rechtsverhältnis zwischen einem Anbieter von Dienstleistungen und Gütern und einem Interessenten regeln darf. So dient bspw. das GAG auch nicht dem Arbeitnehmerschutz und der Wahrung gewerberechtlicher Aspekte (vgl. VwGh 19.05.1998, 97/05/0234: „Ob ein Antragsteller bei Aufstellung von Zeitungsverkaufseinrichtungen und deren Benützung die im Rahmen seiner Gewerbeausübung zu beachtenden gesetzlichen Vorschriften der GewO, insbesonders des Betriebsanlagerechtes, und Vorschriften des Arbeitnehmerschutzes verletzen würde, kann bei Prüfung der Voraussetzung für die Erteilung des Gebrauchserlaubnis nach dem Wr GebrauchsabgabeG nicht berücksichtigt werden.“)

Ich hoffe, die Ausführungen konnten den Sachverhalt etwas näher bringen und ersichtlich machen, dass aus rechtlichen Bedenken/ Gründen das GAG nicht den passenden gesetzlichen Rahmen bietet, um die Barrierefreiheit innerhalb einer Schanigartenfläche oder grundsätzlich von Sondernutzungen zu verankern. Die Barrierefreiheit des öffentlichen Raums selbst ist bereits als Zielbestimmung im GAG festgelegt. Nichts desto trotz können bei einer Novellierung des Gebrauchsabgabgesetzes Ihre Vorschläge zur Diskussion miteinbezogen werden. Derzeit ist allerdings eine Novellierung des Gebrauchsabgabegesetzes nicht vorgesehen.

Es darf um Verständnis ersucht werden, dass derzeit aufgrund der oben genannten Ausführungen keine Möglichkeit besteht, Ihrem Anliegen nachzukommen, dass aber gerne ihr Vorschlag im Zuge einer Novellierung das GAG nochmals zur Diskussion hinzugezogen wird.

Freundliche Grüße Referentin

Anm.: Wie aus Ihrem Schreiben hervorgeht, sind Regelungen der barrierefreien Nutzung innerhalb der Schanigartenfläche kompetenzmäßig bedenklich. Warum ein Zigarettenautomat als Sondernutzung erwähnt wird ist nicht nachvollziehbar. Zeitungsverkaufseinrichtungen sollten ohnedies barrierefrei zugänglich sein. Selbst bei einer Restgehsteigbreite von 2 Metern können auch Ladenvorbaue barrierefrei gestaltet werden. Sie beziehen sich auf Urteile die über 20 Jahre alt sind. Aber auch auf den Arbeitnehmerschutz bei Erteilung einer Betriebsgenehmigung.

Zu Podesten bei Schanigärten: Sogar die Schanigartenrichtlinie (kein Rechtsanspruch) verweist darauf, dass Podeste nur zum Niveauausgleich errichtet werden dürfen. Wie die Wiener Bauordnung festlegt ist die Maximalhöhe von Stufen 18 cm. Dies ist jedoch nur bei Straßen und Gassen erforderlich, die ein Gefälle aufweisen.

Wörtlich: „Bauliche Erhöhungen im Straßenraum sind Stolperfallen. Daher sind Podeste nur bei Schanigärten in der Parkspur sowie bei starkem Längs- oder Quergefälle des Gehsteigs erlaubt, um einen Niveauausgleich zu schaffen. Sie sollen, abhängig vom Straßengefälle, maximal eine Höhe von 18 cm (eine Stufenhöhe) aufweisen. Zumindest ein Bereich des Schanigartens ist barrierefrei zu gestalten.“

Arbeitnehmerschutz und Rampen (auch mobile): Natürlich ist es für eine Einzelperson (Servicekräfte) nicht zumutbar, mobile Rampen (die bei E-Rollstuhlbenutzer auch fixiert werden müssen) zu transportieren, aufzustellen und wieder abzubauen und auch noch die Gäste zu bedienen.
Da der Öffentliche Raum nicht kostenlos zur Verfügung gestellt wird, wäre eine Rampe auf Öffentlichen Grund auch in die Nutzungsgebühr einzuberechnen. Man könnte die geringen Mehrkosten auch den Betreibern erlassen.
Sinnvoller ist eine gute Planung: Deshalb fordern wir auch, dass falsch errichtete Schanigärten mit Podesten wieder neu geplant und errichtet werden müssen. Natürlich mit einer zumutbaren Frist. Wenn diese nicht eingehalten wird, ist die Bewilligung zu entziehen.

Tatsache ist, dass Einreich-Pläne gezeichnet werden müssen und die Beamten der Magistratsabteilungen immer wieder Schanigärten bewilligen, die nicht entsprechen. Deshalb reichen Zielbestimmungen definitiv nicht aus. Dazu kommt noch, dass Tische und Sessel, aber manchmal auch Sonnenschirme und Abfallbehälter, fix verankert werden, wodurch selbst barrierefrei zugängliche Schanigärten für Rollstuhlnutzer nicht befahrbar sind, da Tische und Sessel etc. den Weg blockieren. 

Barrierefreiheit bei Sondernutzung: Da ein Schanigartenbetreiber nur bei einem Rampenbau zu einem Sondernutzer wird, sind wir der Meinung, dass das GAG sehr wohl barrierefreie Zugänglichkeit bei Schanigärten regeln kann, indem man in § 2 Abs. 2 beim Punkt „öffentliche Rücksichten“ im GAG den Begriff „Barrierefreie Zugänglichkeit“ hinzufügt. Sie schreiben wörtlich: Hier ist kompetenzrechtlich fragwürdig, ob das GAG das zivile Rechtsverhältnis zwischen einem Anbieter von Dienstleistungen und Gütern und einen Interessenten regeln darf.
Anm.: Deshalb ist ja eine Reform des GAG unumgänglich um klar Barrierefreiheit zu definieren.

Sogar WKW-Präsident Ruck schreibt wörtlich in einem Antwort-Brief vom 10. Juli 2020: „Bei unseren Beratungen verweisen wir jedoch explizit auf die bestehende Gesetzeslage und dabei selbstverständlich auch auf das Behindertengleichstellungsgesetz. Wir haben sogar ein Video zur Schanigartenbeantragung erstellt, dort wird auf eine max. 3 cm hohe Barriere hingewiesen. Zu sehen auf www.wko.at/wien/ schanigarten. Wenn sich Unternehmerinnen und Unternehmer nicht an die gesetzlichen Bestimmungen halten, müssen diese die Konsequenzen dafür tragen. Das geschieht nach unserer Erfahrung leider nur allzu oft.“
Anm.: Wenn jedoch barrierefreie Zugänglichkeit explizit als Bewilligungsvoraussetzung festgelegt wird, dann könnten auch Magistratsbeamte in die Pflicht genommen werden, die leichtfertig Schanigartenbewilligungen ausstellen, die Menschen mit Behinderungen ausgrenzen.

Selbstverständlich gibt es vorbildliche Schanigärten – dies ist oft auf Eigeninitiative der Betreiber zurückzuführen. Auch 3 cm Stufen können  mit Abschrägungen leicht überwunden werden, wobei auch die Stolpergefahr vermindert wird.

Reform des Gebrauchsabgabegesetz (GAG):
Das GAG müsste eigentlich bundesweit reformiert werden. Wenn jedoch nicht einmal Wien seine politische Verantwortung wahrnimmt, die Reform voranzutreiben, hat Wien seine Vorreiterrolle verspielt.
Die Reform des GAG müsste baldigst erfolgen, denn sonst ändert sich wieder nichts. Denn wenn Ende 2021 dauerbewilligte Schanigärten auslaufen und somit eine Neueinreichung erforderlich ist, wäre dies die richtige Maßnahme, damit nicht barrierefreie Schanigärten endlich der Vergangenheit angehören.

Nochmals unsere Forderung: In § 2 Abs. 2 beim Punkt „öffentliche Rücksichten“ müsste im GAG der Begriff „Barrierefreie Zugänglichkeit“ hinzugefügt werden.
Wenn jetzt nicht gehandelt wird, wird das Problem der Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung weiterbestehen. Wir können uns nicht vorstellen, dass dies gewünscht wird.

Weitere Informationen zur Barrierefreiheit:
UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
Bundes-Verfassungsgesetz, Artikel 7, Abs. 1
Bundesbehindertengleichstellungsgesetz
Wiener Gleichstellungsgesetz 

Artikel zum Thema:
Barrierefreie Schanigärten: Stellungnahme vom Stadtratbüro Hebein
Am 26. August 2020 veröffentlichten wir den Artikel „Chaos bei Schanigärten: Wer ist verantwortlich?“. Am 2. September 2020 erhielten wir endlich die zugesagte Stellungnahme (GZ.: 81861-2020)

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